Das zweite Himmelsquartal 2023
Einzige Abendsichtbarkeit Merkurs / Venus immer besser zu sehen
Sternhimmel
Die Milchstraße windet sich nun wieder vom östlichen, über den nördlichen, zum westlichen Horizont entlang. So können unsere Blicke tief in den intergalaktischen Raum schweifen, um auf die Suche nach ferne Sterneninseln zu gehen, die man gerade jetzt besonders gut beobachten kann, da kein interstellarer Staub den Blick auf die fernen Welten trübt. Im Meridian können wir eines der Sternbilder sehen, welches besonders reich an Galaxien ist. In der Jungfrau ist auch der Stern Spica zu finden, der die südliche Spitze des so genannten Frühlingsdreiecks bildet. Am südlichen Horizont schlängelt sich das unscheinbare Sternbild Wasserschlange entlang auf deren Rücken sich der Becher und der Rabe befinden. Schon weit in den Westteil des Himmels ist der Löwe gewandert, in dem der Stern Regulus ein weiteres Mitglied des Frühlingsdreiecks bildet. Nördlich der Jungfrau finden wir den Bärenhüter mit Arkturus, dem dritten Stern des Dreiecks. Etwas westlich von Arkturus liegt das unscheinbare Sternbild Haar der Berenice, in dem wir ebenfalls unzählige Galaxien finden können. Der Große Wagen durchläuft soeben den Zenit seiner Jahresbahn. Am Osthimmel machen sich bereits die ersten Sternbilder der kommenden Jahreszeit bemerkbar. Allen voran die Sternbilder Herkules und Leier. Tief am Nordhorizont können wir das Himmels-W der Kassiopeia erkennen, die nun bald wieder mit ihrem Aufstieg zum Zenit beginnt. Web-Stellarium
Meteore
Vom 14. bis 30. April wird dieser recht lichtschwache Sternhimmel von den Sternschnuppen der Lyriden verziert, die scheinbar aus dem Sternbild Leier kommen. Ihr Maximum erreichen sie am 23. April mit einer ZHR von etwa 20 Objekten pro Stunde. Ihren Ursprung haben sie im Kometen C/1861 G1 (Thatcher).
Vom 19. April bis 28. Mai sind auch die Eta-Aquariden aktiv, die am 6. Mai mit einer ZHR von rund 50 Objekten pro Stunde ihr Maximum haben werden. Ihr Radiant (Ausstrahlungspunkt) liegt nahe des Sterns Eta im Wassermann und sie sind meist nur in der letzten Stunde vor der Morgendämmerung sichtbar. Leider wird ihr Erscheinen in diesem Jahr vom Vollmond beeinträchtigt. Mit einer Eintrittsgeschwindigkeit von 60 km/s sind es sehr schnelle Objekte, die ihren Ursprung im berühmten Kometen Halley haben.
Planeten
Bis Mitte April kann der sonnennächste Planet Merkur noch in seiner diesjährigen Abendsichtbarkeit am Westhimmel beobachtet werden. Am besten gelingt dies vom 3. bis 13. April. Kurz nach 19.00 Uhr wird er über dem westlichen Horizont sichtbar. Im Maximum hat er dann eine Helligkeit von -1m1. Am 9. April erreicht er mit einem scheinbaren Durchmesser von 7,1“ seine Halbphase (Dichotomie) und am 11. April steht er dann mit rund 19,5° bereits in seiner größten östlichen Elongation.
Unser Nachbarplanet Venus baut im zweiten Himmelsquartal seine Abendsichtbarkeit noch weiter aus. Ihre Helligkeit steigert sie von -4m1 auf -4m7 und erreicht mit einem scheinbaren Durchmesser von 24“ am 4. Juni ihre Halbphase (Dichotomie) und ihre größte östliche Elongation mit 45°.
Bei beiden inneren Planeten können bereits in einem Vierzöller und einer Vergrößerung von 150x Phasen wie beim Erdmond beobachtet werden. Mit speziellen UV-Filtern können von Amateurastronomen sogar ohne Probleme Strukturen in der Venusatmosphäre erkannt werden!
Planetoiden
Drei Kleinplaneten erreichen im zweiten Himmelsquartal ihre Oppositionsstellung mit einer Helligkeit von mindestens 10m0. Den Anfang macht (7) Iris, die diese Position am 30. April im Sternbild Waage erreichen wird. Sie wurde am 13. August 1847 von John Russel Hind entdeckt und hat einen Durchmesser von 200 Kilometer. Benannt wurde sie nach der griechischen Regenbogengöttin. Am 6. Juni erreicht (11) Parthenope ihre Opposition im Sternbild Schlangenträger. Sie wurde am 11. Mai 1850 von Annibale de Gasparis entdeckt und hat einen Durchmesser von 162 Kilometer. Sie wurde nach einer der Sirenen der griechischen Mythologie benannt. Schließlich wird am 16. Juni (20) Massalia im Sternbild Schlangenträger in Opposition stehen und genau am Tag der Opposition eine Helligkeit von 10m0 erreichen. Sie wurde am 19. Juli 1852 ebenfalls von Annibale de Gasparis entdeckt und hat einen Durchmesser von 145 Kilometer. Benannt wurde sie nach der lateinischen Bezeichnung der Stadt Marseille, wo sie auch entdeckt wurde. Alle relevanten Daten zur Auffindung der beschriebenen Kleinplaneten zur Oppositionszeit habe ich in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Daten der beschriebenen Kleinplaneten
Planetoid | Datum | RA | Dekl. | Mag. | Konst. |
(7) Iris (11) Parthenope (20) Massalia | 25.04. 30.04. 05.05. 01.06. 05.06. 10.06. 10.06. 15.06. 20.06. | 14h29m 14h24m 14h19m 17h05m 17h01m 16h56m 17h45m 17h40m 17h35m | -20°29´ -20°01´ -19°31´ -16°24´ -16°23´ -16°23´ -22°27´ -22°24´ -22°21´ | 9m7 9m6 9m7 9m6 9m5 9m5 10m3 10m1 10m2 | Lib Oph Oph |
Mondlose Zeit
Zur Beobachtung von Deep-Sky-Objekten benötigen wir wieder neben einem dunklen Beobachtungsplatz einen mondlosen Sternhimmel. Diese Zeiten habe ich in Tabelle 2 zusammengestellt.
Tabelle 2: Mondlose Beobachtungszeit
8. bis
22. April | 8. bis
21. Mai | 7. bis
20. Juni |
Für die nächste Galaxie stellen wir unser Teleskop auf den 2m8-Stern ε in der Jungfrau. Von hier geht es 5° westlich bis zum 4m9-Stern ρ-Vir. Von hier noch 3,5° nordwestlich und wir sind bei der Riesengalaxie M 87, die 1781 von Charles Messier entdeckt wurde und 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Sie hat einen Durchmesser von 520.000 Lichtjahren und hat eine 200-fache Masse wie unsere Milchstraße! In M 87 wurde das erste Bild eines schwarzen Lochs gemacht, aus dem ein 5.000 Lichtjahre langer Jet schießt! Mit meinem Achtzöller ist sie bei einer Vergrößerung von 80x mit der Galaxie NGC 4476 in einem Gesichtsfeld. Sie ist dann eine helle, runde Galaxie ohne hellen Kern. Mit einem 17,5-Zöller ist bei ihr bei V=227xWw+UHC(-Filter) blickweise sogar der Jet zu sehen gewesen (siehe auch vergrößertes Foto mit Markierung)!
M 87: 7 x 4min bei ISO 1600 plus CLS-Filter und Flattner fokal am 16-Zöller (1:5)
© Andreas Kaczmarek
Deep-Sky-Objekte
Unser erstes Deep-Sky-Objekt finden wir 5,5°
nordöstlich vom Stern δ im Sternbild Rabe - knapp im Sternbild Jungfrau. Es ist
die Sombrerogalaxie M 104, die am 9. April 1781 von Pierre
Méchain entdeckt wurde und 30 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Mit
einem Durchmesser von 50.000 Lichtjahren ist diese von der Kante betrachtete
Galaxie deutlich kleiner als unsere Milchstraße, hat aber ein großes, deutlich
sichtbares Staubband, das sich längs durch die gesamte Galaxie zieht und ihr so
den Namen verlieh. Bereits mit einem 2,5-Zöller ist sie bei einer Vergrößerung
von 46x als eine helle Galaxie, die ein flaches Dreieck mit zwei relativ hellen
Sternen bildet, zu sehen. Mit einem 17,5-Zöller war sie bei V=167xWw eine sehr helle und große Galaxie mit
einem hellen Kern, bei der knapp südlich des Kerns der Dunkelstreifen verläuft.
NGC 4476 wurde am 12. April 1784 vom deutsch-englischen Astronomen Wilhelm Herschel entdeckt und steht mit 85 Millionen Lichtjahren deutlich weiter im Hintergrund, als die scheinbar benachbarte M 87! Sie hat einen Durchmesser von 40.000 Lichtjahren und ist im Achtzöller bei einer Vergrößerung von 80x nur 12 Bogenminuten westlich von M 87. Sie ist dann eine ovale, relativ helle Galaxie mit einem sternförmigen Kern.
Schwenken wir unser Teleskop rund 1,4° vom Stern ρ in der Jungfrau in nördliche Richtung, kommen wir zur elliptischen Galaxie M 59, die am 11. April 1779 von Johann Gottfried Köhler entdeckt wurde und 50 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Ein supermassives schwarzes Loch wurde in ihrem Zentrum entdeckt mit 270 Millionen Sonnenmassen! In meinem Achtzöller steht sie bei einer Vergrößerung von 57xWw mit den Galaxien M 60 und NGC 4638 in einem Gesichtsfeld. Sie ist dann nahezu rund und sehr hell ohne Strukturen.
M 60 & NGC 4647 + SN 2022 hrs: 6 x 2min bei ISO 2000 plus CLS-Filter und MPCC M3 mit Canon EOS 70 Da
am 16-Zöller am 28./29.04.2022
© Andreas Kaczmarek
Die elliptische Galaxie M 60 ist in meinem Achtzöller von ähnlicher Gestalt und Helligkeit wie M 59 und wurde auch am 11. April 1779 von Johann Gottfried Köhler entdeckt. Sie steht nur 26 Bogenminuten ostsüdöstlich von M 59 und ist 57 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Sie hat einen Durchmesser von 120.000 Lichtjahren in der sich 1 Billionen Sonnenmassen befinden! In der direkt benachbarten Galaxie NGC 4647 wurde am 24. April 2022 die Supernova SN 2022 hrs mit einer Helligkeit von 12m6 entdeckt.
Die ebenfalls elliptische Galaxie NGC 4638 ist bei V=57xWw im Achtzöller eine kleine, runde Galaxie mit hellen Kern. Sie befindet sich nur 16,5 Bogenminuten südöstlich von M 59. Am 15. März 1784 wurde sie von Wilhelm Herschel entdeckt und ist 49 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Ihr Durchmesser beläuft sich gerade mal auf 30.000 Lichtjahre.
Nur 1,7° nordwestlich vom Stern ρ in der Jungfrau finden wir mit einem Achtzöller das interagierende Galaxienpaar NGC 4567/68, dessen Kerne nur 20.000 Lichtjahre voneinander entfernt sind - auch Siamese Twins genannt. Sie wurden am 15. März 1784 von Wilhelm Herschel entdeckt und sind 60 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Im Achtzöller sind sie auch bei einer Vergrößerung von 83xWw nicht voneinander zu trennen, aber beide sind dann relativ hell und rund. In NGC 4567 war im Jahre 2020 die Supernova SN 2020 fqv zu sehen.
NGC 4567/68: 11 x 3,5min bei ISO 1000 fokal am 16-Zöller (1:5) mit einer Canon EOS 50D; © Andreas Kaczmarek
Gerade
mal 11 Bogenminuten nördlich von NGC 4567/68 finden wir mit einem 17,5-Zöller
bei V=227xWw die Galaxie NGC 4564,
die bei dieser Vergrößerung mit den Siamese Twins in einem Gesichtsfeld steht.
Sie wurde ebenfalls am 15. März 1784 von Wilhelm Herschel entdeckt und ist 49
Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Ihr Durchmesser beträgt etwa 50.000
Lichtjahre und sie ist ebenfalls als elliptische Galaxie katalogisiert. Bei
einer Vergrößerung von 227xWw ist sie im 17,5-Zöller eine relativ kleine, ovale
Galaxie mit sehr hellem Kern.
Ich wünsche wieder viel Spaß beim Aufsuchen und Beobachten der von mir beschriebenen Ereignisse und Objekte!
Die Aufsuchkarten entstanden mit Guide 9.0
Tabelle 3: Daten der beschriebenen Deep-Sky-Objekte im Sternbild Jungfrau
Objekt | RA | Dekl. | Dimension | Mag. | Art |
M 59
M 60
M87
M 104
NGC 4476
NGC 4564
NGC 4567/68
NGC 4638 | 12h42m
12h44m
12h31m
12h40m
12h30m
12h36m
12h36m
12h43m | +11°39´
+11°33´
+12°24´
-11°37´
+12°21´
+11°26´
+11°15´
+11°26´ | 4,6 x 3,6´
7,1 x 6,1´
7,1´
7,1 x 4,4´
1,7 x 1,1´
2,6 x 1,7´
2,7x2,3´/4,7x2,2´
2,9 x 2´ | 9m6
8m8
8m6
8m0
12m2
11m1
11m3/10m8
11m2 | G
G
G
G
G
G
G´s
G |